Architekten*Innen müssen im Rahmen ihrer Tätigkeit viele das Bauprojekt betreffende rechtliche Vorgaben beachten. Ihre Klienten*Innen rechtlich beraten dürfen sie jedoch regelmäßig nicht, da die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Grundsatz den Rechtsanwälten*Innen vorbehalten ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem aktuellen Urteil vom 11. Februar 2021 (Az. I ZR 227/19) entschieden, dass die Grenze zur Rechtsdienstleistung überschritten ist, wenn eine Architektin einen Bauherrn im Widerspruchsverfahren vertritt.
Der vom BGH entschiedene Fall
In dem der BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte eine Architektin für ein von ihr betreutes Bauvorhaben eine Bauvoranfrage gestellt. Diese wurde von der Stadt negativ beschieden, weshalb die Architektin für die Bauherren Widerspruch einlegte. Ein solches Widerspruchsverfahren ist unter anderem in Niedersachsen durchzuführen, bevor Klage gegen einen abschlägigen Baubescheid erhoben werden kann (§ 68 VwGO, § 80 Abs. 2 Nr. 4a NJG). Als die zuständige Rechtsanwaltskammer von dem Vorgehen der Architektin erfuhr, mahnte sie diese ab, da die Vertretung des Bauherrn im Widerspruchsverfahrens ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) begründe. Es handele sich hierbei um eine Rechtsdienstleistung, die grundsätzlich den Anwält*Innen vorbehalten sei. Dem trat die Architektin entgegen. Der Streit gelangte vor Gericht. Nunmehr nahm der BGH zu der Frage Stellung, ob die Architektin im Widerspruchsverfahren für den Bauherrn tätig werden durfte.
Entscheidung gegen die Architektin
Das Gericht urteilte zugunsten der gegen die Architektin klagenden Rechtsanwaltskammer: Die Architektin hat mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens für den Bauherrn gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen.
Die Vertretung im Widerspruchsverfahren stellt eine gem. § 3 RDG erlaubnisbedürftige Tätigkeit dar, da hierbei individuelle, einzelfallbezogene Ansprüche aus dem Bereich des öffentlichen Baurechts geprüft werden. Eine Erlaubnis für eine derartige Tätigkeit ist für Architekt*Innen nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine erlaubte Nebenleistung zur Architektenleistung vor, da dem Widerspruchsverfahren in Angelegenheiten des öffentlichen Baurechts ein erhebliches Gewicht zukommt, sodass nicht mehr vom Charakter einer Nebenleistung ausgegangen werden kann.
Hinter dem Urteil steht der Gedanke, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 RDG). Die Durchführung eines Widerspruchverfahrens als Vorstufe zum Gerichtsverfahren erfordert regelmäßig qualifizierte Rechtskenntnisse, die grundsätzlich nur bei Rechtsanwält*Innen vorausgesetzt werden können, weshalb diesen eine solche Tätigkeit vorbehalten bleiben sollte.
Folgen der Entscheidung
Durch die Entscheidung des BGH müssen Architekten*Innen ihre Arbeitspraxis überdenken. Regelmäßig sind sie bereits mit dem Bauvorhaben befasst und standen mit der Baubehörde in Kontakt, bspw. im Rahmen der Beantragung einer Baugenehmigung. Entscheidet die Baubehörde abschlägig, ist häufig das Widerspruchsverfahren der nächste erforderliche Schritt. Hierfür muss nun eine Anwältin oder ein Anwalt eingeschaltet werden, die oder der sich ganz neu in den Sachverhalt einarbeiten muss. Für den Bauherren entstehen weitere Kosten.
Auch bei anderen Architektentätigkeiten (bspw. die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten wegen Baumängeln) sollten Architekt*Innen genau prüfen, ob sie die Schwelle zur ihnen untersagten Rechtsdienstleistung überschreiten.
In diesen Bereichen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Architekt*Innen und Anwält*Innen sinnvoll. Eine gute Kooperation kann die Reibungsverluste zwischen den verschiedenen Tätigkeiten reduzieren, die dadurch entstehen, dass sich mehrere Berater*Innen unabhängig voneinander mit der Angelegenheit befassen. Bestenfalls haben die Beteiligten bereits in anderen Projekten erfolgreich kooperiert.
Autor: Stefan Dalmer, Dalmer|Law - Rechtsanwalt und Kooperationspartner von Property Value Partner
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