Das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) breitet sich weiter in der Welt aus. Auch Deutschland ist betroffen. Die Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung halten weiter an. Doch welche Auswirkungen hat das teilweise Erliegen der deutschen Wirtschaft auf die Baubranche Deutschlands?
Die Bauzinsen befinden sich derzeit auf dem niedrigsten jemals vorhandenen Stand. Der Vorstandsvorsitzende der Interhyp-Gruppe, Jörg Utecht sagt, dass die zukünftigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Immobilienmarkt derzeit schwer einzuschätzen seien. Dennoch unterliege die Finanzierung von Immobilien weiterhin einer hohen Nachfrage. Ob dieser Trend zukünftig weiterhin anhält, hinge von der weiteren Entwicklung der Wirtschaft und der Anlagealternativen ab. Laut Utecht sei die Baubranche im Vergleich zu anderen Branchen relativ frei von Risiken.
Der Großteil der Kunden des Unternehmens investiere in Immobilien mit dem Ziel der Eigennutzung. Dabei sei die weitere Entwicklung des Wertes dieser nicht das entscheidende Kriterium der Investition. Der Erwerb eines Eigenheims biete den Erwerbern eine Altersabsicherung, Unabhängigkeit und Mietfreiheit. Durch die niedrigen Zinsen sei eine Finanzierung für die Kunden leistbar. Allerdings ändere sich die Situation, wenn die gesamte Wirtschaft über einen längeren Zeitraum Probleme aufweist. Dabei könnten die steigende Arbeitslosenquote und eine langanhaltende Unsicherheit der Bürger, diese von einem Kauf abhalten. Des Weiteren würde sich die bisherige Steigerung der Preise nicht fortsetzen, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt viele nicht bereit wären hohe Preise in den Ballungszentren zu zahlen. Über einen kurzen Zeitraum bestehe die Möglichkeit, dass ein Börsenabsturz die Nachfrage nach Immobilien erhöht. Eine Immobilie sei ein Wertobjekt, welches in Zeiten von Krisen zur finanziellen Absicherung sehr gefragt sei. Allerdings hinge die Nachfrage von der Verfügbarkeit weiterer Anlagealternativen im Aktien- und Anleihenbereich sowie der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Situation ab. Bei einer kurzfristigen Rezession gebe es demnach vermutlich eine stärkere Nachfrage an dem Gut Immobilie und eine Steigerung der Preise. Sollte die Rezession über einen längeren Zeitraum anhalten, so gebe es Finanzierungsprobleme und der Verkauf zu gewünschten Preisen wäre oftmals nicht mehr möglich.
Im März dieses Jahres haben die Zinsen für Immobilienkredite den niedrigsten Stand aller Zeiten. So bestehe die Möglichkeit, dass bei Förderkrediten, z.B. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), negative Effektivzinsen entstehen. Dieses Szenario bedeutet, dass die Bauherren eine geringere Summe an Geld zurückzahlen würden, als ihnen zuvor ausgezahlt wurde. Durch die niedrigen Zinsen der Notenbanken könnte eine Diskussion über Negativzinsen bei der Finanzierung von Bauvorhaben entstehen. Diese wären technisch umsetzbar und möglich, allerdings sei eine solche Entwicklung unwahrscheinlich, da es eine Festsetzung der Mindestzinsen der Banken für Baufinanzierungen gebe, so Utecht.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Ausführung von Bauvorhaben?
Für die Dienstleister in der Baubranche und Handwerker besteht in Deutschland weiterhin die Möglichkeit ihren Tätigkeiten nachzugehen. Allerdings ist eine praktische Umsetzung dieser Theorie nicht möglich, ohne die Maßnahmen für die Prävention der Ausbreitung der Pandemie außer Acht zu lassen. Der Großkonzern Strabag, ein europäischer Technologiepartner für Baudienstleistungen, teilte mit, dass die Arbeiten auf 1.000 Baustellen in Österreich eingestellt wurden. Grund dafür sei, dass z.B. die Regelung des Ein-Meter-Abstandes auf einer Baustelle nicht einhaltbar sei. Ein weiterer Aspekt, der ein Problem für die Baubranche darstellt, ist die nicht mögliche Sicherstellung der Lieferketten von benötigten Materialien und Nachunternehmen. „Die Einschränkungen im öffentlichen Leben im Zusammenhang mit der Coronavirus-Prävention haben massive Auswirkungen auf unseren Baubetrieb. Nach Abwägung aller Interessen und vor allem auch der gesellschaftlichen Verantwortung wegen sehen wir uns gezwungen, diesen drastischen Schritt zu setzen.“, so Thomas Birtel, Vorstandschef von Strabag.
Doch es gibt viele weitere Unternehmen, die von der COVID-19-Pandemie betroffen sind. So z.B. auch der österreichische Baukonzern Poor oder die Schweizer Baugesellschaft Implemia. Innerhalb Deutschlands und in anderen Ländern wurden sämtliche Baustellen dieser Unternehmen geschlossen. Die Stadt Düsseldorf hat die weitere Auslegung von Entwürfen für Bauplanungen abgesagt, wodurch beispielsweise der Bau eines Wohnviertels mit 492 Mitwohnungen auf einen späteren, nicht festgelegten Zeitraum, verschoben wird. Laut Eric Schweitzer, dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) erläutert, dass sich die Zahl der betroffenen Branchen und Betriebe sich beinahe täglich erhöhen. Allerdings würden die notwendigen Soforthilfen des Staates für diese Unternehmen eingedämmt werden. Grund dafür seien die besonders aufwendigen Nachweisforderungen an die Unternehmen, um ihre Betroffenheit von der Pandemie aufzuzeigen. Vor allem Selbstständige, Kleinstunternehmen und Mittelständler müsse eine derartige Hilfe schnell erreichen „sonst kommen sie für viele aus diesem Kreis zu spät“, warnt Schweitzer. Die Baugenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) hat beschlossen die Beiträge der betroffenen beitragspflichtigen Unternehmen zu stunden und somit eine Entlastung zu gewährleisten. „Was die Betriebe am dringendsten brauchen, ist Liquidität zur Absicherung der Produktionsprozesse und Lohnzahlungen“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB).
Wie ist die Situation beim Neubau von Wohnraum und den dazu benötigten Fachkräften?
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes legen offen, dass im Januar des Jahres 2020 deutschlandweit der Bau von 27.000 Wohnungen genehmigt wurde und somit 0,3 Prozent weniger Baugenehmigungen als im selben Monat des Vorjahres erteilt wurden. Allerdings ist die Zahl der Genehmigungen für den Bau von Mehrfamilienhäusern um 7,8 Prozent gestiegen. „Die Corona-Krise darf aber nicht dazu führen, dass die Anspannung vieler Wohnungsmärkte in Deutschland in der Nachkrisenzeit verstärkt wird. Jetzt geht es darum die Voraussetzungen dafür zu schaffen den Neubau weiter voranzutreiben“, so Dr. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA).
Hinsichtlich der Ausbildung neuer Fachkräfte der Bauwirtschaft habe Deutschland bisher keine Probleme, versichert Heribert Jöris, Geschäftsführer für Sozial- und Tarifpolitik des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB). Derzeit befinden sich 40.000 Personen in einem Ausbildungsverhältnis innerhalb der Baubranche und somit 4,2 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die Qualität unserer Ausbildung darf durch die Corona-Krise nicht gefährdet werden“, erklärt Jöris.
Die zukünftigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die deutsche Immobilienwirtschaft könne man zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau benennen, so Utecht. Die weitere Entwicklung hänge von der späteren gesamtwirtschaftlichen Situation Deutschlands ab. Doch bereits jetzt wird die Baubranche mit vielen Problemen konfrontiert. Laut des Statistischen Bundesamtes stiegen die Umsätze im Hochbau im Januar 2020 um 12,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Ob eine derartig positive Entwicklung im Laufe des Jahres anhalten wird bleibt ungewiss.
Autor: Pauline Born, Mitarbeiterin Content Management
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